Wiener Zentralfriedhof

Es lebe der Zentralfriedhof
Und olle seine Toten
Der Eintritt is‘ für Lebende
Heit‘ ausnahmslos verboten.

„Es lebe der Zentralfriedhof“, Wolfgang Ambros

Entgegen diesem Liedtext, den wohl jeder kennt, besuchen wir heute den Wiener Zentralfriedhof. Kurz nach Allerheiligen haben wir einen wunderschönen, ungewöhnlich warmen Herbsttag für unsere Führung erwischt.

Seit 1847 ist der Wiener Zentralfriedhof die letzte Ruhestätte für Menschen aller Religionen. So finden sich auf dem Areal unter anderem ein evangelischer, ein jüdischer, ein buddhistischer, ein orthodoxer, ein mormonischer und ein islamischer Friedhof. Rund 3 Millionen Verstorbene sind hier in etwa 330.000 Grabstellen bestattet. Der Wiener Zentralfriedhof ist aber auch eine Parklandschaft auf 2,4 km² die vielen Tieren Schutz bietet. Außerdem gibt es 60 verschiedene Baumarten und cicra 15.000 Bäume.

Durch die von Kaiser Joseph II. im Jahr 1784 verfügten Josephinischen Reformen durften Friedhöfe nur noch außerhalb des Linienwalls (dem heutigen Gürtel) errichtet werden. Fünf neu geschaffene Friedhöfe galten als ausreichend – falsch gedacht. Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts war klar, dass der vorhandene Platz nicht ausreichen würde. Der Wiener Gemeinderat beschloss daher 1863, einen riesigen Zentralfriedhof weit außerhalb der Stadt anzulegen, der niemals seine Auslastungsgrenze erreichen sollte.

Kurz nach seiner Eröffnung war der Friedhof bei den Wienern nicht gern besucht: Karg und trostlos wurde das Areal beschrieben und es gab kaum öffentliche Verbindungen, was die Anreise beschwerlich und langwierig machte. Das hat sich seither grundlegend geändert. Auf Grund seiner vielen Ehrengräber zählt der Wiener Zentralfriedhof heute zu den meistbesuchten Sehenswürdigkeiten der Stadt Wien.

Der Tod, das muß ein Wiener sein

Er hat an Abgang g´macht.
Er hat die Patsch´n g´streckt.
Er hat a Bank´l g´rissn.
Er hat se d´ Erdäpfel von unt´ ang´schaut.

„Ein echtes Wienerlied“, Roland Neuwirth

Angeblich geht es in jedem Wienerlied spätestens in der 3. Strophe um das Sterben und den Tod – daher kommt auch die Aussage „Der Tod muss ein Wiener sein“ in dem Lied von Georg Kreisler aus dem Jahr 1969. Doch woher kommt die angeblich spezielle Beziehung der Wiener zum Tod?

Vielleicht liegt es an der beliebten Legende des Lieben Augustin? Der Legende nach soll Augustin sehr beliebt gewesen sein, weil er mit seinen Liedern während der Pest in Wien die Bevölkerung der Stadt aufheiterte. Das brachte ihm seinen Beinamen Lieber Augustin ein.

Angeblich war Augustin 1679 während der Pestepidemie wieder einmal sturzbetrunken und schlief irgendwo in der Gosse seinen Rausch aus. Siech-Knechte, die damals die Opfer der Epidemie einsammeln mussten, fanden ihn, hielten ihn für tot und brachten die Schnapsleiche zusammen mit den Pestleichen auf ihrem Sammelkarren vor die Stadtmauer.

Am folgenden Tag erwachte Augustin inmitten der Leichen. Er spielte so lange auf seinem Dudelsack, bis Retter ihn aus der Grube zogen. Danach soll Augustin sein Erlebnis als Bänkelsänger vorgetragen und davon recht gut gelebt haben. Bis heute ist die Figur des lieben Augustin ein Inbegriff dafür, dass man mit Humor alles überstehen kann – auch den Tod.

Die Ursprünge müssen jedenfalls weit zurück liegen, denn bereits 1967 wurde das Bestattungsmuseum als weltweit erstes seiner Art in Wien eröffnet. Und die Merchandise-Artikel aus dem Shop der Friedhöfce Wien sind mit ihren morbiden Sprüchen auch speziell. Der Begriff der schönen Leich kommt nicht von ungefähr – in Wien wurden Begräbnisse so pompös inszeniert wie kaum sonstwo. Viele Wiener waren von dem Wunsch getrieben, sich noch ein letztes Mal in Szene zu setzen, um ja nichtvergessen zu werden. Das lies man sich etwas kosten: Wer es sich leisten konnte, bestellte einen schicken Leichenzug – mit Kutsche, Reitern und Trauerpersonal in Galauniform. Diese Feierlichkeiten sollten den Tod erträglicher machen.

Ein todsicheres Geschäft also…

Bauwerke

Schon beim Betreten des Friedhofs über das Tor 2 stechen einem zwei architektonische Besonderheiten ins Auge: Der Haupttorbereich mit seinem Eingangsportal und den beiden Aufbahrungshallen sowie die Alten Arkaden. In dieser aus Ziegelsteinen erbauten Gruftanlage wurden 36 wohlhabende Familien aus dem Bürgertum der Ringstrassenzeit beerdigt.

Architektonisches Highlight ist aber die Kirche. 36 Jahre sollten von der Eröffnung vergehen, bis die Friedhofskirche 1910 eingeweiht wurde. Da der Wiener Bürgermeister Karl Lueger kurz vor der Eröffnung starb, wurde die Kirche Dr.-Karl-Lueger-Gedächtniskirche getauft. Heute trägt sie den Namen Friedhofskirche zum Heiligen Karl Borromäus und zählt zu einer der bedeutendsten Jugendstil-Kirchen. Ihre 58,5 Meter hohe Kuppel ist schon von weitem zu sehen. Vor der Kirche befindet sich die Präsidentengruft, in der seit 1951 die österreichischen Bundespräsidenten beigesetzt werden.

Ehrengräber

Um die spärlichen Besucherzahlen zu erhöhen, fasste der Wiener Gemeinderat 1881 den Entschluss, eine Ehrengräberanlage zu errichten. Diese befindet sich im Bereich rund um die Präsidentengruft. 1877 und dann noch einmal 1880 wurde der städtische Archivdirektor Karl Weiß beauftragt, auf allen bestehenden Friedhöfen Wiens noch vorhandene Grabstätten „hervorragender“ Persönlichkeiten hierher zu überstellen.

Als Ehrengräber werden ausschließlich jene Grabstellen bezeichnet, die sich in den so genannten Ehrengräberguppen befinden. Sie werden auf Friedhofsdauer vergeben, die Stadt Wien kommt für die Grabpflege und Grabmiete auf. Sämtliche außerhalb der Ehrengräbergruppen befindlichen „ehrenhalber gewidmeten Gräber“ werden zwar ebenfalls auf Friedhofsdauer vergeben und die Grabmiete wird bezahlt, allerdings müssen Verwandte des Verstorbenen selber für die Grabpflege sorgen. Erst wenn keine Angehörigen mehr vorhanden sind, übernimmt die Stadt.

Die heute rund 1.000 Ehrengräber und die hier bestatteten Persönlichkeiten bilden einen Querschnitt durch das gesellschaftliche Leben Wiens bis in die jüngste Vergangenheit. Dazu zählen Ludwig van Beethoven, Franz Schubert, Karl Renner, Otto Bauer, Victor Adler, Hans Moser, Helmut Qualtinger, Udo Jürgens, Falco und seit kurzem auch Kurt Ostbahn. Die Aufzählung ließe sich – wie passend – bis in die Ewigkeit fortsetzen.

Das erste Grab auf dem Zentralfriedhof

Das allererste Grab, in dem der Privatier Jakob Zelzer bestattet ist, befindet sich rechts vom Haupteingang.

Alfred Hrdlicka

Ein erstes ungewöhnliches Grab ist jenes des Künstlers und Bildhauers Alfred Hrdlicka, der das Mahnmal gegen Krieg und Faschismus am Albertinaplatz errichtet hat. Auch sein Grabmal gestaltete er selbst. Es zeigt eine nackte Frau mit einem Skelett – dem personifizierten Tod – beim Geschlechtsakt. Das soll den Kreislauf von Geburt, Leben und Tod symbolisieren. Davor liegt eine männliche Figur, die sich in Qualen windet und die das Hinterteil der Frau im Blick hat.

Johann Strauß Vater und Sohn, Johannes Brahms

Johann Strauß Vater machte durch die Umsiedelungen eine regelrechte „Beerdigungstournee“: Zuerst vom alten Döblinger Friedhof zum neuen Döblinger Friedhof und schließlich hierher nach Simmering. Johann Strauß Sohn, der mit dem Donauwalzer die heimliche Hymne Wiens komponiert hatte, verstarb 1899 und wurde gleich in einem Ehrengrab am Zentralfriedhof in unmittelbarer Nachbarschaft von Johannes Brahms bestattet. Die beiden waren bereits zu Lebzeiten gute Freunde.

Ludwig van Beethoven

Ludwig van Beethoven wurde 1827 im Beisein von 20.000 Wienern auf dem Währinger Ortsfriedhof bestattet. 1863 fand seine „letzte Ruhe“ ein Ende, da man in exhumierte, um seine Gebeine zu vermessen. 1866 wurde er erneut exhumiert; diesmal allerdings, um ihn in das Ehrengrab auf dem Zentralfriedhof zu verlegen, wo er schließlich seine letzte Ruhe fand.

Wolfgang Amadeus Mozart

Mozarts Leichnam wurde nach der Einsegnung bei St. Stephan in den Abendstunden des 6. Dezember 1791 auf den vor der Stadt liegenden St. Marxer Friedhof überführt. Die Beerdigung erfolgte entweder noch in den Nachtstunden oder, wahrscheinlicher, erst am Vormittag des nächsten Tages in einem „allgemeinen einfachen Grab“. Das Grab hatte eine Bestandsdauer von zehn Jahren und wurde danach neu belegt. Die mutmaßliche Begräbnisstätte wurde 1859 durch ein Grabdenkmal markiert, welches später auf den Wiener Zentralfriedhof übersiedelt und mehrfaxch umgestaltet wurde.

Denkmäler

Neben Gräbern gibt es auf dem Friedhof auch einige Denkmäler. Eines davon ist jenes, das zur Erinnerung an die fünf österreichischen Mitglieder einer Himalaya-Expedition errichtet wurde. Ihre Mitglieder Richard Hoyer, Peter Lavicka, Peter Nemec, Kurt Reha, Kurt Ring und der Sherpa Tensing Ninda kamen 1969 am 7.640 Meter hohen Dhaulagiri IV in in einer Lawine ums Leben.

Udo Jürgens

Udo Jürgens liegt in einer Skulptur aus sechs Tonnen schwerem italienischen Marmor begraben, sodass sein letzter Wunsch in Erfüllung geht: Er wollte nicht unter der Erde bestattet werden. Der Marmorblock stellt ein weißes Klavier dar, das von einem Tuch umhüllt wird und auf der Vorderseite vom Schriftzug „Udo Jürgens“ geziert wird. Dieses protzige Grabmal gefällt nicht allen; selbst in der Familie gab es offenbar nicht nur Zustimmung und das, obwohl die Skulptur von von Jürgens‘ Bruder Manfred Bockelmann entworfen wurde.

Falco

Einer der prominentesten und meistbesuchten Stars ist zweifellos Hans Hölzel aka Falco (1957-1998). Das Grabmal kann man getrost als geschmacklos bezeichnen. Ein glatter roter Obelisk steht für die unsterbliche Kunstfigur Falco, eine halbrunde Glasscheibe mit einem eingravierten Foto in Fledermaus-Pose für sein musikalisches Vermächtnis und eine abgebrochene graue Stele für den Menschen Hans Hölzel.

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